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Warum sollten Sie ein Klima-Landwirt werden?

21.04.2020 – Interview mit Dr. Josef Bosch, Leiter FarmFacts Akademie und Experte für nachhaltige Landwirtschaft zur Initiative Klima-Landwirt.

 

Wie ist bei Ihnen die Idee der „Initiative Klima-Landwirt“ entstanden?

Schon lange haben wir uns in der FarmFacts intensiv mit dem gesamten Thema der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft beschäftigt. Gerade Landwirte stehen immer wieder stark in der Kritik, einen großen Anteil an der Verursachung von Klimaproblemen zu tragen, können aber ein wesentlicher Teil der Lösung sein.

Aus dieser Überzeugung heraus haben wir unsere Zusammenarbeit mit dem Humuszertifikat-Händler CarboCert GmbH ausgebaut und können mit unseren gemeinsamen Stärken einen überzeugenden und für Dritte nachvollziehbaren Gesamtprozess darstellen. Der Kern der Initiative ist Bindung von CO2 im Boden als Kompensationsmöglichkeit für den unvermeidbaren CO2-Ausstoß von Emittenten aus Industrie, Handwerk oder Handel.

Auf Basis unseres gemeinsamen Knowhows, aber auch insbesondere der Einbindung wissenschaftlicher Expertise sehen wir dieses neue Geschäftsfeld als Chance für die Landwirtschaft. Als Partner für umfassende Digital Farming Lösungen haben wir natürlich Interesse daran, dass Gelder von den Emittenten in die Landwirtschaft fließen. Uns liegt der Erfolg der ganzen landwirtschaftlichen Branche am Herzen.

Das System CO2-Zertifikate ist aber weniger getrieben von möglichen zusätzlichen Einnahmen. Das wird von den meisten Landwirten durchaus als attraktive „Begleiterscheinung“ gesehen, ist aber nicht der ausschlaggebende Faktor um in das System einzusteigen. Vielmehr möchte der Landwirt das ohnehin schon vorhandene Streben nach Verbesserung der Bodengesundheit damit etwas „gegenfinanzieren“.

Angesichts von Humusanteilen in den Böden von unter 2,5% oder sogar unter 2% auf diversen Flächen, fürchten viele „Klima-Landwirte“ dass sie in Zukunft mit den herkömmlichen Arbeitsweisen den kommenden Herausforderungen nicht gewachsen sind.

Vermehrte Trockenperioden, Erosionsschäden, problematischer Wasserhaushalt, Strukturschäden in den Böden usw. haben viele in den letzten Jahren erlebt und suchen nun nach einer Gegenstrategie. Des Weiteren schränken neue Vorgaben bei Düngung und Pflanzenschutz die bisherigen Strategien ein. Die positive Imagebildung zum Verbraucher hin, führen „Klima-Landwirte“ auch oft als Grund für den Einstieg ins System an. „Wer weiß was Aufkäufer in den nächsten Jahren noch alles von uns fordern?“ hört man oft.

Mit der Initiative Klima-Landwirt bieten wir die Möglichkeit für Landwirte, nicht als Teil des Problems wahrgenommen zu werden, sondern Teil der Lösung zu sein.

Können Sie das Prozedere und das Geschäftsmodell der Landwirte kurz skizzieren?

Im Grunde geht es darum, dass ein Landwirt mit einer Basis-Probenahme auf den für Humusaufbau aussichtsreichen Feldern, den Status Quo in Sachen Humusgehalt ermittelt. Die Probenahme erfolgt auf eine vom Zertifikat vorgeschriebene Art und Weise. Durch die GPS-georteten Einstichstellen bei der Probenahme erfüllen wir eine wesentliche von der Wissenschaft geforderte Grundvoraussetzung zur Beurteilung der Humusentwicklung auf einem Feld. Die relevanten Daten der Beprobung werden dabei softwaregestützt erfasst und in das „Zertifikat-Archiv“ transferiert. Dort stehen sie für etwaige Prüfungen im Rahmen der Zertifizierung oder auch für den Zertifikat-Händler (soweit das Datenschutz rechtlich erlaubt ist) zur Einsicht. Das Archiv ist auch die Basis für die Folgeproben.

Nach drei bis fünf Jahren erfolgt die zweite Probenahme. Diese Ergebnisse werden dann mit der Erstprobe verglichen. Die Werte der zweiten Probe je Beprobungseinheit werden dann mit den Erstergebnissen abgeglichen. Positive Abweichungen werden dann in Tonnen CO2-Äquivalent umgerechnet. Dann werden diese Zertifikate am Markt angeboten und zu einem Preis verkauft, den der Markt bestimmt. Der Zielpreis liegt momentan bei 30,- €, die Landwirte je Tonne CO2 ausgezahlt bekommen. Nach der zweiten Probe beginnt eine Fünf-Jahresperiode, in der das Niveau der Humusgehalte zumindest aufrechterhalten werden muss.

Die realistischen, auch wissenschaftlich fundierten Bindungsraten, liegen durchschnittlich bei ca. zwei bis drei Tonnen je ha und Jahr. Aber es gibt auch viele Praktiker, die über höhere Werte berichten. Das rührt oft daher, dass solche Betriebe massiv Organik von außen zuführen. Manche aber schaffen auch keinerlei Erhöhung. Besonders bei schon sehr Humus gesättigten Böden oder untauglichen Maßnahmen im Feldbau.

 

Welche Unternehmen kaufen derzeit Humuszertifikate?

Die Käufer von Zertifikaten sind im allgemeinen Unternehmen, die irgendwie mit der Landwirtschaft in Verbindung stehen – als Lieferanten oder auch als Aufkäufer. Es gibt auch Anfragen von Dienstleistern aus der Landwirtschaft wie etwa Messegesellschaften oder Verbände. Im Prinzip alle, die Interessen haben, ihr eigenes Image positiv zu stärken und, dass Geld zurück in die Landwirtschaft, von der wir alle profitieren, transferiert wird.

Viele Käufer von Humuszertifikaten misstrauen dem globalen, intransparenten Wildwuchs im CO2-Zertifikate Markt. Für die heimischen Firmen ist es oft viel wirkungsvoller, zumindest einen Teil der jährlichen Marketingaufwendungen in die Imagebildung zu investieren. Regionalität und persönliche „Greifbarkeit“ der Humus-Projekte sowie Verbundenheit zu heimischen Landwirten spielen dabei eine wichtige Rolle. Hier setzt die Initiative Klima-Landwirt an.

 

Wie viele Landwirte mit wie vielen Hektaren haben Sie zurzeit unter Vertrag? Und für wie groß halten Sie die Potentiale?  

Wir schätzen das Potential von tauglichen Flächen in Deutschland auf 5-10% der Ackerfläche. Wir können sicher auf vielen 100.000 ha aktiv werden. Die Welt kann man damit sicher nicht retten, aber es ist ein Mosaikstein in einer regionalen Gesamtstrategie, die wir unbedingt brauchen.

 

Wie funktioniert das praktisch bei Ihnen? Was muss ich als Landwirt bieten, und was bekomme ich wann?

Der Landwirt muss in das System per Vertrag die Flächen einbringen. In dieser Vereinbarung sind nicht nur die Rechte und Pflichten des Landwirtes, sondern auch die des Zertifikate-Händlers beschrieben. Außerdem sind darin alle datenschutzrechtlichen Belange berücksichtigt und einige wichtige Vorgaben der Zertifizierung beschrieben.

Die Vergütung bei gelungenem Humusaufbau ist ebenfalls Bestandteil des Vertrages. Der Einstieg in das System ist damit verbunden, dass die Vermarktung der Zertifikate für diese Flächen in Gang gesetzt wird und formalrechtlich nach den Bedingungen der Zertifizierung des Prozesses abgesichert ist.

Die erste Zahlung an den Landwirt erfolgt nach frühestens drei Jahren, wenn dieser schon nach dieser Zeit die Folgeproben nehmen lässt. Es werden rund zwei Drittel der erreichten Aufbauleistung vergütet. Das letzte Drittel kommt dann nach weiteren fünf Jahren, wenn kein Humusabbau bis dahin nachgewiesen wird.

 

Ein kritischer Punkt sind die Probenahmen. Wie stellen Sie sicher, dass auch im Sinne des Landwirts alles mit rechten Dingen zugeht?

Wir als FarmFacts sind deshalb vom Makler CarboCert angefragt worden, weil wir eine der ganz wenigen, flächendeckend agierenden und gleichzeitig zertifizierten Bodenproben-Dienste in Deutschland sind. Zudem schreibt das Zertifikat eine sehr genaue (GPS/RTK) Folge-Beprobung vor. Nur dann kann man Werte vergleichen. Außerdem verlangen die Vorgaben, dass wichtige Parameter (z.B. Spurdaten, Einstichpunkte und weitere begleitende Protokollierungen) digital und automatisiert erfasst, sowie sicher archiviert werden. Das geht nur mit einer entsprechend lizensierten Software, wie wir sie einsetzten. Die Messung der Humusveränderung, da sind sich alle Fachleute einig, ist eine sehr spitzfindige Angelegenheit, die durch Fehler bei der Probenahme sehr schnell ihre Grenzen findet.

Der Landwirt kann auch dahingehend sicher sein, dass die Analysen der Proben nach den Vorgaben des Zertifikates bzw. wissenschaftlich und formalrechtlich anerkannten Abläufen gemacht werden.

 

Was sollte ich als Landwirt im Vorfeld klären, damit aus der Begeisterung nicht nach fünf Jahren Enttäuschung wird?

Ich denke das Wichtigste ist, dass man ganz realistisch prüft, ob sich die vorhandenen Flächen zum Humusaufbau eignen. Die notwendigen Maßnahmen müssen außerdem zur machbaren Bewirtschaftung passen. Dabei sind Fruchtfolgesysteme und durchaus auch der Wille zur Weiterqualifizierung des Betriebsleiters ehrlich einzuschätzen.

Der Landwirt muss sich immer auch im Klaren sein, dass die Zertifikate in einem freien Markt verkauft werden. D.h. es gibt keine Preisgarantie oder vollkommene Nachfragesicherheit. Es gibt zwar einen eindeutigen Trend, dass diese Konzepte in Zukunft noch viel mehr angenommen werden, aber es kann auch einmal so kommen, wie wir es derzeit mit dem Corona-Virus erleben. Dann ist für eine bestimmte Zeit einfach nichts mehr planbar. Daher muss der Humusaufbau auch immer im Verbund mit dem Gewinn an Bodenfruchtbarkeit gesehen werden.

Dennoch sind die Laufzeiten des Zertifikatvertrages lange genug, dass solche Marktschwächen auch wieder ausgeglichen werden. Das Thema Klima ist keine Eintagsfliege, sondern wird die Menschheit und insbesondere auch die Landwirtschaft auf Dauer enorm beschäftigen.

Wir sollten diese Herausforderung mutig und aktiv begegnen. Die Zukunft birgt auch enorme Chancen für die Landwirte.

 

Weitere Informationen zur Initiative Klima-Landwirt finden Sie hier.